Der AI Chasm: Vom KI-Prototyp zum Produkt

Viele Unternehmen begeben sich langsam auf den Weg zur Data Driven Company indem sie datenbasierte Anwendungsfälle als Prototypen umsetzen. Doch dann begegnen sie einem Problem, das sich “AI Chasm” nennt: der Skalierung von dieser innovativen Arbeit in einen operativen, umfassenden, selbstverständlichen Prozess. Das Thema rund um den AI Chasm beschäftigt sich also mit dem Thema wie man von datenbasierten Prototypen zu datenbasierten Produkten kommt – und wir stellen vor welche Hebel es gibt, diese Kluft zu überbrücken.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der AI Chasm und wieso ist er für Unternehmen wichtig?

Der AI Chasm bezeichnet die Herausforderung von Unternehmen, von KI-Prototypen zu operationalen Produkten zu kommen.
Der AI Chasm bezeichnet die Herausforderung von Unternehmen, von KI-Prototypen zu operationalen Produkten zu kommen.

Unter “AI Chasm” versteht man die Herausforderung, künstliche Intelligenz von Prototypen in ein Standardwerkzeug eines Unternehmens zu heben. So befinden sich viele Organisationen im Bereich der KI momentan in der “Ausprobier”-Phase, stehen aber vor der Herausforderung, dieses datenbasierte Arbeiten in skalierbare Produkte und Services zu heben.

Dass künstliche Intelligenz, auf Englisch “Artificial Intelligence”, inzwischen zu einem der wichtigsten Digitalisierungsthemen avanciert, ist kein Geheimnis. Daher beschäftigt sich so ziemlich jedes Unternehmen mit dem Potential ihrer Daten und den Effekt von Machine Learning Algorithmen. Manche stellen eigene Data Scientists ein, andere untersuchen das Thema mittels externer Unterstützung. Egal welcher Weg: In jedem Unternehmen ziehen langsam Prototypen und Proof of Concepts ihre Runden, um die Vorteile von künstlicher Intelligenz zu vermitteln.

Meist ist es noch eher eine Spielerei oder ein Projekt, das nach der Testphase nicht weiter verfolgt wird. Aber immer öfter wird der Nutzen von Machine Learning sichtbar und dann steht sich eine einfache Frage: Wie kann dieses Vorgehen skaliert werden? Ob ein einzelner Anwendungsfall oder gleich das gesamte Thema “Data Science”: Es ist ein immenser Unterschied zwischen einem zusammengebauten Prototypen der lokal auf einem MacBook läuft und einem operationalen, dem Unternehmen Gewinn bringenden, Produkt.

Diese Kluft zwischen “etwas probiert” und “etwas im Unternehmen operationalisiert” nennt sich “AI Chasm” oder zu Deutsch “Kluft der KI”. 

Die drei Aspekte des AI Chasm

Worin liegt die Schwierigkeit, die Hürde vom Prototypen zu Produkten zu überwinden? Wir sehen primär drei Faktoren, die gelöst werden müssen, bevor man den AI Chasm im Unternehmen überwinden kann.

Die Lösungen zur Überbrückung des AI Chasm liegen im Enablement, der Datenkultur und einer Erfolgsmessung.
Die Lösungen zur Überbrückung des AI Chasm liegen im Enablement, der Datenkultur und einer Erfolgsmessung.

Das Enablement: Die Fähigkeit, datenbasierte Produkte umzusetzen und am Laufen zu halten

Als der wohl fundamentalste Aspekt zur Überbrückung des AI Chasm kann das Enablement – also die grundlegende Fähigkeit zu datenbasierten Arbeiten gesehen werden. Hierbei gibt es mehrere Aspekte zu beachten. Im Zentrum der Fähigkeit steht selbstverständlich die Data Science Expertise. Dieses Wissen ist der eine singuläre Faktor an dem Erfolg oder Misserfolg eines datenbasierten Produkts gemessen werden kann. Nur wer tiefgehendes Verständnis für Anwendungsfälle sowie Algorithmen hat, kann AI als nachhaltiges Werkzeug im Unternehmen verankern.

Während der Faktor Expertise sich vor allem auf die sogenannte Vorbereitung der Umsetzung bzw. auf die erfolgreiche Umsetzung bezieht, helfen die besten Data Science Experten wenig, wenn dann das daraus entstehende Produkt nicht in die IT Systemlandschaft integriert werden kann. Hierzu ist es notwendig eine Big Data Infrastruktur aufzusetzen, zu etablieren, zu standardisieren und zu managen. Besonders im Zentrum sind hierbei Data Architects und Data Engineers welche gemeinsam mit Enterprise Architects oder Solution Architects die Daten-Infrastruktur einrichten und das Deployment (also die Operationalisierung von z.B. Machine Learning code) ermöglichen. 

Dieser Gedanke ist oft in den Köpfen von Chief Data Officers oder äquivalenten Rollen vorhanden. Der nächste Schritt geht jedoch oft schon unter. Denn nebst Infrastruktur und fachlicher Expertise zur Bearbeitung von Data Science Use Cases braucht man auch Personal das nach dem Deployment das Monitoring und die Maintenance übernimmt. Diese Aufgabe wird normalerweise in den sogenannten DevOps-Abteilungen übernommen. Da diese allerdings oft keine explizite Kenntnisse im Bereich des Machine Learning Model Deployments haben, entsteht sukzessive ein neuer Bereich der sich ML-Ops oder Data Ops nennt. Die Experten dieses Bereichs sind nicht nur imstande Infrastruktur aufzusetzen, sondern auch in der Lage die Verfügbarkeit der Modelle und vor allem auch deren Leistungsfähigkeit zu überwachen. Die Experten des Bereichs ML-Ops beschäftigen sich daher auch mit dem sogenannten “Concept Drift”. Der Concept Drift beschreibt das Problem, dass mit zunehmender Zeit ein trainiertes und operationalisiertes Machine Learning Modell nicht mehr zu genüge die Realität abbilden kann. Dies hat zur Folge dass die Vorhersagen schlechter werden, und daher muss das Modell oder eben ein neues trainiert werden. 

Es gibt noch wesentlich mehr Enablement Themen die in die Kategorie der “Fähigkeit” zu datenbasierten Arbeiten fallen. Die drei genanntenAspekte  sind jedoch mitunter die am schwerwiegendsten um den AI Chasm zu überbrücken. Andere wichtige Themen sind zum Beispiel die Data Governance, Budgetverantwortung, organisatorische Etablierung des Bereichs Daten und vieles mehr.

Die Kultur: Der Wille und die Bereitschaft datenbasiert zu arbeiten 

Hat man die grundlegenden Probleme des Enablements gelöst und die Fähigkeit zum datenbasierten Arbeiten geschaffen, bleibt jedoch noch eine weitere umfassende Herausforderung um den AI Chasm zu überwinden. Der sogenannte Wille bzw. die Kultur. Eine umfassende Datenkultur ist Voraussetzung um aus dem Elfenbeinturm der technologischen Innovation auszubrechen und ein weitreichendes Verständnis einerseits, aber auch eine umfassende Akzeptanz von datenbasierten Produkten im Unternehmen andererseits zu schaffen. 

Eine Datenkultur zu etablieren ist oft sogar schwieriger und auch relevanter für eine erfolgreiche Überwindung des AI Chasm als ein umfassendes Enablement. Ein schönes Zitat in diesem Zusammenhang ist „Culture eats strategy for breakfast“. Denn nur wenn die Kultur es erlaubt, im Optimalfall sogar begünstigt, können strategische Themen auch umgesetzt werden. Die “Brechstange” führt selten zum Erfolg, sondern schafft oft Widerstand.

Warum ist also eine weitreichende Datenkultur wichtig und was beinhaltet sie? Generell gibt es zwei Teile einer nachhaltigen Kultur zum datenbasierten Arbeit. Erstens muss das Wissen ob die Methodik, das Vorgehen, die Vor- und Nachteile und dem Potential von Data Science als umfassendes Thema etabliert und verbreitet werden. Dies schafft ein Verständnis, das über populärwissenschaftliche Information hinausgeht und bildet die Basis für den zweiten Teil. Dieser ist die umfassende Akzeptanz von datenbasierten Produkten und deren Effekten. Denn nur wenn im Unternehmen eine wohlwollende Einstellung gegenüber dem Thema Big Data und A.I. vorherrscht, ist es möglich die Vorzüge aufzuzeigen und den Effizienzgewinn auch zu operationalisieren. Angst muss genommen und Lust auf Innovation geschürt werden. Dann hat man die Möglichkeit, datenbasiertes Arbeiten zum Erfolg zu führen.

Der Erfolg: Wie kann Erfolg von datenbasierter Arbeit gemessen und als Feedback genutzt werden?

Der dritte Aspekt um den AI Chasm zu überbrücken ist die Schaffung, Dokumentation und das Rückspielen von Erfolg. Das Prinzip ist sehr einfach: Schafft man es, Erfolg messbar zu machen und diesen quantifizierten Erfolg ins Unternehmen zurück zu spielen, hat man eine direkte positive Rückkopplung auf sowohl die Bereitschaft zum Enablement als auch eine Förderung der Datenkultur.

Egal ob Vorstand, Management oder Team: Es sollte immer die Frage nach dem “Wieso” und dem “Was bringt es uns” gestellt werden. Und diese Fragen gilt es zu beantworten. Nebst strategischer Wichtigkeit und auch Zukunftsfähigkeit gibt es aber auch eher greifbare Möglichkeiten wie die Definition von KPIs, das Messen des Erfolgs von Data Science Use Cases und die Promotion von der erfolgreichen Umsetzung der Anwendungsfälle im Unternehmen.

Nebst Kultur und Enablement ist der AI Chasm immer eins: Eine Frage des Erfolgs. Und das schlagendste Argument für die meisten Menschen ist nach wie vor greifbarer, einfach und schnell verständlicher Erfolg. Somit gilt es, kontinuierlich nach Wegen zu suchen, diesen Erfolg messbar zu machen. Denn dann sehen viele Kollegen auch den Nutzwert sehr praktisch statt nur theoretisch und lassen sich eher überzeugen, den Weg zur Data Driven Company mitzugehen.

Die Rolle des AI Chasm in der Data Driven Company

Zusammen genommen ist der AI Chasm ein sehr wichtiger Maturitätsschritt für jedes Unternehmen das sich zur Data Driven Company entwickeln möchte. Die Fähigkeit, mehr als nur Prototypen und kleine Projekte durchzuführen ist die Basis für das umfassende, holistische operative Arbeiten mit Daten das den Kern einer Data Driven Company ausmacht. Daher sehen wir die Aspekte, die bei der Überbrückung von datenbasierten Proof of Concepts zu datenbasierten Produkten helfen losgelöst vom AI Chasm und als zentrale Elemente in jedem Unternehmen. Es gilt nicht, nur Ad-Hoc Enablement, Kultur und Erfolgsmessung zu betreiben, sondern vielmehr müssen dies Kernwerte sein, auf die sich nebst den eigentlichen Use Cases konzentriert wird.