Künstliche Intelligenz im Mittelstand: Beispiele und Umsetzung

Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Während große Konzerne eigene Fachbereiche oder sogar Unternehmen schaffen um sich mit dem Thema KI zu beschäftigen, kann der deutsche Mittelstand dies nicht leisten.

Doch wo stehen mittelständische Unternehmen im Bezug auf Künstliche Intelligenz? Was ist überhaupt möglich, welche Anwendungsbeispiele gibt es? Und wie kann man als Mittelständler schnell, effektiv und kostengünstig KI einsetzen um Mehrwert zu schaffen? Diese Fragen beantworten wir in diesem Artikel, um Klarheit über Stand und Potential von künstlicher Intelligenz im Mittelstand zu schaffen.

Der aktuelle Stand von künstlicher Intelligenz im Mittelstand: Potential und Einsatz

Dass künstliche Intelligenz ein hohes Potential für kleinere und mittlere Unternehmen birgt, wird in den meisten Studien einstimmig gespiegelt. Ob Automatisierung, Erhöhung der Effizienz, Verringerung von Kosten oder sogar neue Geschäftsmodelle – etwa 90% von Unternehmen glauben, dass KI Mehrwerte generiert.

Doch in Realität ist der Einsatz von KI im Mittelstand noch nicht angekommen. Lediglich 5% setzen künstliche Intelligenz breit in ihren Abteilungen ein. Die Probleme? Geringes Wissen über die Anwendung, mangelnde Fachexpertise und hohe Kosten.

Dass diese Probleme auch nachhaltig über die letzten Jahre die breite Demokratisierung von KI im Mittelstand behindern, lässt sich in den verschiedenen Studien herauslesen. Im Folgenden möchten wir also einen Überblick verschaffen, was für Ansatzpunkte es für KI gibt und wie Anwendungsfälle effektiv und kostengünstig umgesetzt werden können um Mehrwert durch Daten zu schaffen.

Beispiele für die Anwendung von künstlicher Intelligenz im Mittelstand

Es gibt hunderte von Anwendungsfällen für den Einsatz von KI im Mittelstand. Wir stellen im folgenden drei Bereiche vor, in denen künstliche Intelligenz Mehrwert schaffen kann und versehen jeden Bereich mit mehreren konkreten Beispielen. 

Kunden verstehen: Von Akquise bis zur Verhinderung von Abwanderung

Alt-Kunden stechen Neukundenakquise im Hinblick auf Kosten und Ertrag um ein vielfaches (bis zu 7x geringere Kosten). Daher gilt es für viele Unternehmen die vorhandenen Kunden gut zu verstehen und optimal zu bedienen. 

Sowohl klassische Kundenbindung als auch Cross-Selling oder Up-Selling stehen im Fokus vieler mittelständischen Marketingabteilungen. Dabei wird künstliche Intelligenz eingesetzt, um Muster in Kunden (Verhalten, Stammdaten) zu erkennen, optimale Produktempfehlungen zu finden oder Kundenabwanderung zu minimieren. Ziel ist es in jedem Fall eine hohe Kundenbindung und Erhöhung des Life-Time-Values (LTV). Beispiele für den Einsatz von KI für die Bindung von Kunden sind:

  • Datenbasierte Personas: Durch maschinellem Lernen können sich ähnlich verhaltenden Kundengruppen identifiziert werden. Diese Gruppen werden durch das aus den Daten abgeleitete Verhalten zu Datenbasierten Personas umgeformt, um passgenaue Empfehlungen und Marketingmaßnahmen abzuleiten. (mehr erfahren)
  • Produktempfehlungen: Basierend auf Empfehlungssystemen können vom Einkaufsverhalten von Kunden die besten nächsten Produkte für jeden Kunden identifiziert werden. Perfekt für Newsletter-Marketing, Vertrieb oder Außendienst. (mehr erfahren)
  • Vorhersage Kundenabwanderung: Aus der Vielzahl von Kunden diejenigen zu identifizieren, die die höchste Gefahr aufweisen, zu kündigen oder in Zukunft nicht erneut zu kaufen ist ein massiver Effizienzvorteil. Marketing, Vertrieb oder Customer Success Teams können somit gezielt auf diese Kunden zugehen, um die Abwanderung zu verhindern. (mehr erfahren)

Prozesse optimieren: Produktion, Personalplanung und mehr

  • Anomalieerkennung: Egal ob in der Anzahl an gefertigten Produkte, der Leistung von einzelnen Mitarbeitern oder der Qualitätssicherung: Es gibt sehr viele Ansatzpunkte, bei denen eine Anomalieerkennung hilft, Fehler zu finden und Prozesse zu optimieren.
  • Prädiktive Wartung: Der klassische Anwendungsfall für Industrieunternehmen und Hersteller. Die Vorhersage, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Maschine gewartet werden muss. (mehr erfahren)
  • Process Mining: Process Mining ist eine eigenständige Methode, die KI nutzt um Ineffizienzen in Prozessen (z.B. Einkaufsprozess) zu identifizieren. Eine Optimierung führt meist zu einer hohen Kostenreduktion.

Vertrieb digitalisieren: Empfehlungen und das perfekte Angebot

  • Umsatzprognose: Die Vorhersage von Umsatz erlaubt eine verlässliche Planung. Ob neue Mitarbeiter, Marketing-Kampagnen oder adaptive Vertriebsprovisionen: Heute zu wissen, was morgen passiert, erlaubt eine bessere Unternehmenssteuerung. (mehr erfahren)
  • Angebotsannahmenvorhersage: Am Ende des Vertriebsprozesses steht das Angebot. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass ein Kunde oder Lead das Angebot annimmt? Durch die Vorhersage der Wahrscheinlichkeit einer Annahme erlaubt KI eine klare Idee, ob man Erfolg haben wird. (mehr erfahren)
  • Lead Scoring: Die Qualifizierung eines Leads erlaubt Fokus auf die vielversprechendsten potentiellen Kunden. Durch den Einsatz von Daten kann man die Leads mit der höchsten Konvertierungswahrscheinlichkeit identifizieren und priorisieren. (mehr erfahren)

Welche Möglichkeiten gibt es zur Umsetzung der Anwendungsfälle?

Doch welche Möglichkeiten hat der deutsche Mittelstand um KI-Anwendungsfälle umzusetzen? Einerseits gilt es erste Use Cases auszuprobieren, Prototypen zu bauen; andererseits muss dies möglichst nachhaltig für das eigene Unternehmen geschehen. Die Bandbreite an Möglichkeiten geht von externen Beratungen oder SaaS-Lösungen über die individuelle Umsetzung intern oder über standardisierte KI-Produkte.

Eine KI-Beratung / Agentur

Wenn mittelständische Unternehmen bisher geringe Erfahrung mit der Umsetzung von künstlicher Intelligenz haben, wird oft die Hausagentur / Beratung zu Rate gezogen. Selbstverständlich haben diese KI-Experten, weshalb erste Ideen, Konzepte und Projekte gemeinsam umgesetzt werden.

Dies ist generell keine schlechte Idee, hat jedoch ein paar Probleme:

  1. Prototyping: Zum einen ist die Lösung oft oberflächlich erstellt (“Prototyp” oder “POC”), was wenig Anwendung im Alltag des Unternehmens findet. Folglich oft eine gute Idee, aber die reale Wirkung wird verfehlt.
  2. Wissenstransfer: Meist werden diese Projekte von Fachexperten der Agentur oder Beratung geführt, was wenig Wissenstransfer ins eigene Unternehmen zulässt. Jeder Nachfolge-Invest muss wieder über die externen Experten laufen, so dass der Mittelstand nicht in seinen Fähigkeiten wächst, sondern abhängig bleibt.
  3. Kosten: Eines der Hauptargument gegen die Nutzung einer Beratung beim Thema KI sind die sehr hohen Kosten. KI-Prototypen werden meist nicht unter 10.000 – 15.000€ erstellt, gehen aber gerne in den Bereich 50.000€. All dies ohne Erfolgsgarantie.

Beispiele: Deloitte, Alexander Thamm, Valantic

Eigenentwicklung von KI-Lösungen

Andere Unternehmen im Mittelstand gehen pragmatisch an den Einsatz von KI und entwickeln selbst Lösungen. Ob über python, Java oder GUI-basierte Tools: Wer sich vor Softwareentwicklung nicht fürchtet und entsprechende Kapazitäten hat, wählt oft den Weg über direkte, praktische Implementierung.

Doch auch dieses Vorgehen hat Herausforderungen:

  1. Personalkosten: Entsprechende Expertise ist sehr teuer, da Data Engineers und Data Scientists sehr rar sind. Kaum ein Mittelständler hat ausufernde Finanzen, um diese Fachexperten in einer hohen Bandbreite einzustellen.
  2. Erfahrung: Oft fehlt es (noch) an Erfahrung, welchen Mehrwert der Einsatz von künstlicher Intelligenz hat. Anwendungsfälle bzw. Use Cases werden im Mittelstand selten strukturiert definiert und verfolgt.
  3. Skalierung: Werden die ersten beiden Probleme gelöst, bleibt noch das Problem der Skalierung. Interne Ressourcen können sich meist nur auf wenige Anwendungsfälle konzentrieren, statt in allen Abteilungen und Bereichen gleichzeitig zu unterstützen. Dies ist jedoch das erklärte Ziel jedes datengetriebenen Unternehmens.

Beispiele: Python, AWS, KNIME

Spezialisierte Software / SaaS

Eine weitere Alternative ist der Einsatz von spezialisierter KI-Software, meist als Software-as-a-Service (SaaS). Neu gegründete Startups fokussieren sich hierbei meist auf einen Anwendungsfall im Bereich künstlicher Intelligenz und bieten ihre Lösung für eine monatliche Lizenz an.

Trotz dem Fakt, dass dieser Weg wohl einer der effizientesten ist, bringt er doch Probleme mit sich:

  1. Fokus: SaaS-Unternehmen spezialisieren sich üblicherweise auf die Lösung eines speziellen Anwendungsfalles. Dies mag bei sehr klaren, identifizierten Problemen sinnvoll sein, aber verhindert wie bei den anderen Vorgehensweisen eine Skalierung auf eine Bandbreite an möglichen Einsatzzwecken.
  2. Setup: Jede zusätzliche Software bedeutet notwendige Integration und Setups. Sei es für die Anbindung an Datenquellen oder das Rückspielen in eigene Systeme – es sind immer erforderliche Ressourcen und Risiken. 
  3. Kumulierte Kosten: Wird jede Idee und jeder Anwendungsfall mit einer eigenen Softwarelösung bekämpft, potenzieren sich die notwendigen Lizenzkosten (meist ca. 100-1000 Euro / Monat) sehr schnell. Folglich wird aus dem vermeintlichen Vorteil einer “kleinen Lösung”, schnell eine Bandbreite an notwendigen Abonnements.

Beispiele: Grazper, Priceloop, Skylab

Self-Service KI-Produkte

Während die drei ersten Möglichkeiten bereits bekannt sein dürften, gibt es ein neues Feld das sich etabliert. Sogenannte “KI-Produkte” verpacken häufige Anwendungsfälle in eine standardisierte, automatisierte Lösung, welche von Nicht-Experten umgesetzt werden können (Self-Service). Diese basiert meistens auf automatisiertem maschinellem Lernen oder unüberwachten Lernen, weshalb die gleiche Lösung auf eine Bandbreite an Kunden anwendbar ist. 

Self-Service KI-Produkte eignen sich wegen der geringen Zugangshürde (“One-click solution”), schnellen Abwicklung und niedrigen Kosten (ca. 200-500 Euro) besonders für KMU und Fachexperten großer Unternehmen. Doch auch diese haben einige Herausforderungen:

  1. Individualisierung: Während die Produkte durch unternehmenseigene Daten angereichert werden und somit eine hochqualitative, individuelle Lösung erarbeiten, können die Analysen innerhalb des Produkts nicht ausgetauscht werden.
  2. Optimierung: In fortgeschrittenen Anwendungsfällen wird viel Zeit mit der Optimierung eines einzelnen KI-Modells verbracht. Bei KI-Produkten ist der Fokus hingegen auf der Erprobung und schnellen Abwicklung interessanter Anwendungsfälle statt der Optimierung eines einzelnen.
  3. Operationalisierung: Möchte man die KI-Produkte in der eigenen Software-Architektur zur dauerhaften Nutzung verankern (“Operationalisierung”), ist dies nur sehr schwierig möglich.

Beispiele: Kobold AI

Was sind also die Vorteile für den Einsatz von KI im Mittelstand?

Zusammengefasst ergeben sich folgende Vorteile beim Einsatz von künstlicher Intelligenz im Mittelstand:

  • Prozesse optimieren, Effizienz erhöhen sind durch Mustererkennung und Anomalie-Detektion von hohem Wert
  • Ein besseres Kundenverständnis und Unterstützung des Vertriebs erlaubt höheren Umsatz
  • Ob Beratung, Eigenentwicklung oder Self-Service KI: Es gibt viele Wege zu ersten Erfahrungen und die Hürden werden immer niedriger
  • Der Mittelstand muss in der Nutzung von künstlicher Intelligenz aufholen. Denn KI ist gekommen um zu bleiben.

Studien & Referenzen 

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